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Als Grenzlandkind bin ich quasi mit einem Fuß in Holland aufgewachsen. Nur etwa 15 Minuten trennten mein Zuhause von Hagelslag, Pindakaas, Gouda und Vla. Viele meiner Sandburgen entstanden an niederländischem Strand und die ersten Urlaube ohne die Eltern gingen natürlich nach Renesse. Ich bin großer Fan von Frittiergut, niederländischen Meistern, bekloppter Architektur und der für uns Deutsche doch ein bisschen lustig klingenden Sprache. Man könnte also behaupten meine Affinität für unser flaches Nachbarland ist besonders gut ausgebildet. Im Oktober habe ich mich also mal wieder in den Zug gesetzt, um dem holländischen Grenzland einen Besuch abzustatten. Erster Stopp: Die schmucke Hansestadt Deventer, die mich abgesehen von den hübschen Gassen, mit ihren für eine Kleinstadt ungewöhnlich vielen coolen Geschäften und Restaurants überrascht hat. Mein Highlight: Eine nigelnagelneue Bibliothek mit viel Platz zum lesen, arbeiten und herumfletzen. Hier sind meine Tipps für einen Tag in Deventer.

Morgens in Deventer – Das moderne Stadhuis, das hübsche Bergkwartier und der alte Markt

Nach meinem echt holländischen Frühstück im kleinen Café und Süßigkeitenladen des Hotel de Leeuw* beschließe ich, erstmal ein bisschen Sightseeing zu machen. Zuerst besuche ich das Stadhuis von Deventer. Die güldene Fassade des Rathauses ist mit über 800 Fingerabdrücken der Bewohner der Stadt bestückt. Riesengroß und gusseisern zieren sie das ganze Gebäude – außen und Innen. Die Säulengänge im Innenhof nennen die Locals liebevoll „Bologna an der Ijssel“ – der Fluss an dessen Ufer die Stadt gebaut ist. Direkt gegenüber vom Rathaus liegt die Lebuinuserk, von deren Turm man über die ganze Stadt und weit über die Ijssel hinweg sehen kann. Die Zweite Kirche der Stadt liegt im Bergkwartier. So wird liebevoll das Viertel genannt, das auf einem klitzekleinen Hügel liegt – für die Niederlande eben ein Berg. Ich schlendere durch die Gassen rund um die Bergkert und die morgendlichen Sonnenstrahlen scheinen gülden auf die hübschen Häuser im typischen Hansestil.

Samstags ist Markt auf dem Brink, Deventers riesigem Marktplatz an dessen Kopfende die alte Waage thront. Ich schlendere vorbei an Käse, Kibbeling und einem riesigen Blumenmeer in Richtung Koekwinkel. Hier wurde nämlich vor über 600 Jahren der Gewürzkuchen erfunden, der heute traditionell auf keinem holländischen frühstückstisch fehlen darf. Ich suche mir einen Platz in der oberen Etage, beobachte das bunte treiben und freue mich über den mit Butter bestrichenen Koek, der bei mir viele Kindheitserinnerungen weckt.

Mittags in Deventer – Ein bisschen Bummeln und Kaffee in einer Bibliothek

Ich habs ja schon gesagt: In Deventer wimmelt es von coolen kleinen Geschäften abseits der für deutsche Kleinstädte üblichen Drogerieketten, Miederwarenläden und Eisdielen mit 90er Jahre Interieur (Ich darf das sagen, denn ich komme aus einer). Was das angeht haben die Holländer nunmal einfach Geschmack. Gleich der erste Laden ist schon ein Knaller: Bei Flotte stöbere ich durch eine Mischung aus nachhaltig produzierten Interior Teilen, hübschen Grünpflanzen und ausgewählter Vintage Kleidung und werde natürlich sofort fündig. Eine Westernbluse landet in meiner Einkaufstüte und die Besitzerin Floor erzählt mir, dass sie den Laden mit ihrer Mutter Charlotte betreibt – daher auch der Name.

Von Flotte aus gehts die Grote Overstraat hinunter. Bei Hoge Ramen gibts kitschige Dekoartikel, bei Holy Cow gleich gegenüber bunte Retro Klamotten. Ich mach mich auf den Weg zur Kleine Overstraat, direkt nebenan. Bei Alternote stöbere ich durch hübsche Notebooks, Geschenkkarten und kaufe ganz vielleicht auch einen smaracujafarbenen Stift für meine ohnehin schon viel zu große Sammlung. Stundenlang in alten Landkarten und Schulpostern stöbern könnte ich im gemütlichen Antiquariat „Das Gute ist immer Da“. Bonuspunkte für den, der das Goldfischglas in all den Bücherstapeln entdeckt. Gleich neben dem Laden führt ein kleiner Weg in einen der schönsten Hinterhöfe Deventers.

Mich treibt es weiter die Straße runter, ich entdecke schöne Kleidung bei DARE, hippe Sneakers bei DEAUP und Second Hand Klamotten bei Bohemien Vintage. Der schicke Store Eindelijk in Deventer hat kürzlich in der Langen Bishopstraat eröffnet – allerdings hat das wohl ziemlich lange gedauert. Wie die beiden Besitzer mir lachend erklären bedeutet „Eindelijk!“ zu Deutsch „Endlich!“, denn die Überlegung einen Conceptstore für Männer und Frauen mit kleiner Coffee-Ecke aufzumachen gab es schon ein paar Jährchen. Kenn ich, das Problem… an den Ideen mangelt es nicht. Das mit der Umsetzung ist eine andere Sache…

Ein kleiner Trödelladen mit dem Namen halo mit allerhand Goldstücken versteckt sich in der Proosdijpassage – wäre ich doch nur mit einem Kleintransporter angereist, dann könnte ich jetzt all die schönen Möbel, alte Werbeschilder und Teekannen einpacken. Denn die Preise sind hier wirklich erschwinglich und Fernab vom Berliner Wuchertrödelkurs.

Am Ende der Passage sehe ich sie schon: Deventers neues Herzstück, die Bibliothek. Dieses Gebäude hat mich wirklich besonders überrascht. Allein die Tatsache dass in vielen Städten die Bibliotheken eher schließen müssen und hier eine neue eröffnet wird ist schon allein ziemlich cool und auch beim betreten des Gebäudes komme ich aus dem Staunen kaum raus. Man durchwandert irgendwie so eine Mischung aus coolem Concept-Bookstore-Coworkingspace mit hippem Café, moderner Einrichtung, die nicht überladen wirkt und genug Raum zum lesen, denken und lernen bietet. Würde ich sofort gegen meine teure Büromitgliedschaft mit Bällebad in Berlin eintauschen. Im Oscar, dem hauseigenen Café kann man übrigens auch super lunchen und in der obersten Etage gibt es eine Terrasse mit Aussicht über die Stadt. 

Nicht weit von der Bibliothek liegt mein letzter Shoppingstop des Tages: Der große Conceptstore Plek. Der Laden ist in kleine Bereiche aufgeteilt in denen sich verschiedene Labels präsentieren. Im vorderen Teil findet man hauptsächlich Fashion, im hinteren Teil Interior Teile.

Abends in Deventer – Craft Beer Brauerei, Havenkwartier und Street Food in einer alten Lagerhalle

Die Herbstsonne geht langsam unter, das heißt bei mir natürlich: Blaue Stunde. Mit der Stadsbrouwerij DAVO hat Deventer seine eigene Craft Brewery. Die Biersorten heißen hier Surf Ale, Road Trip und Café Racer – also genau mein Style. Marijn, einer der Gründer der Brauerei lässt mich alle probieren und erzählt mir wie aus einer kleinen Hobbybierküche und einer fixen Idee DAVO wurde. Heute gibt es neben dem Brewpub in Deventer auch noch eine ganz neue Bar in Arnhem.

Bevor ich hier aber einen ordentlichen Schwips bekomme – so ganz auf nüchternen Magen – mache ich mich auf den Weg in Richtung Havenkwartier. In Deventers kleinen Hafen findet man heute allerlei Industriekultur, kreative Unternehmen, Gastronomie und schräge Architektur. Zum Beispiel den alten Schiffscontainer auf dem Dach eines Hauses in dem sich der Bewohner sein eigenes Tonstudio eingerichtet hat. Oder die außergewöhnlichen Hotellzimmer von „Lucy in the Sky“, die wie Ufos auf alten Lagerhallen und Wohnhäusern thronen. Hier, weit weg von der pittoresken Altstadt Deventers findet man sogar ein bisschen Streetart.

Mein Ziel ist allerdings die Streetfood Halle Food Dock. Hier kann ich mich nicht nur endlich einmal die holländische Frittierstraße runterfuttern (Bitterballen, Krokettbroodje, Pommes und Trüffelmajo) sondern vor allem Spezialitäten aus aller Welt probieren. Dank eines Tipps von Nike probiere ich einen Gin Tonic mit Deventers eigenem Gin „Wagging Finger“, der wie sollte es anders sein nach echtem Deventer Koek schmeckt. Ich sags euch, da hätte ich am liebsten gleich eine ganze Flasche mitgenommen. So lecker!!

Übrigens: Falls euch nicht so nach Streetfood ist habe ich noch einen anderen Tipp für euch: Am Abend vorher, nach meiner Ankunft in der Stadt war ich im nagelneuen Proeflokaal t’Oer. Hier zahlt man pro Person eine Pauschale fürs essen und kann so viele Tapasplatten zum Teilen bestellen, wie man möchte. Das Essen wird aus lokalen Produkten zubereitet und man findet sowohl niederländische Klassiker wie Kibbeling als auch internationale Küche auf den Platten. Absolute Empfehlung!

Für mich geht nach meinem Drink zurück ins Hotel, denn meine Zeit in Deventer neigt sich dem Ende entgegen und ich habe am nächsten Tag noch eine Radtour vor mir. Darüber bald mehr!

Tipps:

Hin & und rumkommen

Deventer liegt direkt auf der IC Strecke zwischen Amsterdam und Berlin. Und auch aus vielen andere deutschen Städten ist die Stadt sehr gut mit dem Zug zu erreichen.

In der Stadt selbst kann man eigentlich alles zu Fuß erreichen. Das Fooddock liegt etwas außerhalb, aber machbar. Ein Taxi zu bekommen war eher schwierig.

Unterkommen

Ich habe eine Nacht im Hotel de Leuw* genächtigt, dass mitten in der Stadt liegt. Die Lobby ist ein Süßwarenladen und Zimmer sind prinzessinenhaft eingerichtet und es gab echten Badezusatz an der Wanne für den ich etliche Bonuspunkte verteile. Noch mehr Hotels in Deventer findet ihr hier*.

Wer lieber in B&Bs nächtigt ist im Deventer Bed & Breakfast gut versorgt.

Weiterkommen

Deventer ist eine von vielen Hansestädten im holländischen Grenzland. Ich bin von dort aus mit dem Rad nach Zutphen weitergefahren. Die Städte Zwolle und Doesburg lohnen sich aber auch unbedingt.

Weiterlesen

Durch Nike bin ich überhaupt erst auf die Idee gekommen nach Deventer zu fahren. Ihren Artikel über die Hansestadt findet ihr hier und auf ihrem Blog auch noch mehr Artikel über die Hansestädte.

Drüben auf dem Blog Grenzerlebnisse habe ich einen Artikel über meine Radtour von Deventer nach Zutphen geschrieben.

Offenlegung:

Meine Reise nach Deventer fand im Auftrag von Das Andere Holland statt, zu deren Nutzung ich vor Ort Bild- und Textmaterial produziert habe. Dieser Artikel entstand unabhängig davon und ohne Absprache. Meine Meinung über Bitterballen, Gin und Westernblusen bleibt hiervon unbeeinflusst. 


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