Seitdem ich zum ersten Mal das Bergpanorama mit seinen pittoresken Prunkbauten auf Instagram gesehen habe, spielte sich sofort in meinem Kopf ein kleines Wes Anderson Daumenkino ab. Als ich hörte, dass viele dieser Gebäude leer stehen, war klar: ich muss unbedingt mal nach Bad Gastein. Aus Erzählungen von Freunden wusste ich, um die Ruhe im kleinen Ort im Salzburger Land, die Thermalquellen, die tollen Yogakurse, die schönen Wanderwege, die vielen hippen Hotels und Pensionen und die ganzen jungen Leute, die im Ort etwas verändern wollen. In diesem Herbst hab ich mich endlich mal auf den Weg gemacht, mir diesen bizarren Ort mit eigenen Augen anzusehen, mir den Kopf in den Bergen durchpusten zu lassen und zu schauen was es mit dem kleinen Ort wirklich auf sich hat.
Und was soll ich sagen? Ich habe mich gleich verknallt in Bad Gastein, und das vor allem aus folgenden Gründen:
1. Pittoreske Gebäude
Ich habs ja schon erwähnt: Bad Gastein ist voll von Grand Hotel Bauten der Belle Époque, wunderschönen Gründerzeit Villen und alpinem Hüttencharme. Viele Gebäude, die vor vielen Jahren von einem Wiener Investor gekauft wurden, stehen heute leer. Hier und da kann man durch ein Loch im Zaun blinzeln oder durch ein Fenster in die noch möblierten Räume schauen, Kaminzimmer der Villen betreten oder unter Kronleuchtern des Grand Hotel de l’Europe auf dem Marmorboden schlendern. Man spürt sie überall, die einstige Blütezeit, die dem Kurort damals den Namen „Das Monaco der Alpen“ beschert hat. Vom Salzburger Architekten Gerhard Garstenauer stammt die Felsentherme, die heute noch in vollem Betrieb ist, sowie das geschlossene Kongresszentrum aus den 70er Jahren, ein brutalistisches Sahneteilchen. Auch wenn vieles verlassen wirkt, tut sich Einiges und alte Gebäude erscheinen in neuem Glanz, weil es Menschen gibt, die an den Ort glauben und mit ihren Ideen bereichern – sei es ein neues Hotelkonzept, eine Ausstellungsreihe, ein kleines schwedisches Café, ein Yogafestival oder ein stadteigenes Magazin.
2. Der Wasserfall und die Thermalquelle
Man kann ihn beinahe von überall hören, wenn man über die Kaiserpromenade Bad Gasteins schlendert: Den gigantischen Wasserfall, der einfach so mitten durch den Ort donnert und frisches Gebirgswasser in die Luft sprüht. Lisa hat mal gesagt, „dass das permanente Rauschen im Ort gut dafür sei, die Gedanken nicht mehr so laut zu hören“ und während man so an der Balustrade steht und den Wassermassen zuschaut, lässt man die Gedanken einfach los und mit dem Wasser hinunterspülen. Man atmet die feuchte Luft ein, die irgendwie wirklich etwas heilsames hat und auf einmal ist es wunderbar still. Noch heilsamer ist das Wasser der 19 Ortseigenen Thermalquellen, die Bad Gastein einst zu seinem Glanz geführt haben. Mit Temperaturen von bis zu 47 Grad wird dem radonhaltigen Wasser nachgesagt, Schmerzen zu lindern und chronische Krankheiten zu bessern. Auch ich bilde mir ein, dass die Quelle meine Nackenschmerzen wie weggezaubert hat. Man sollte nur aufpassen, dass man sich nicht (wie ich) im Wasser verquatscht – Experten raten sich nicht länger als 20-30min darin aufzuhalten (das hat zumindest meine nachträgliche nächtliche Google- Odyssee ergeben). Viele der ansässigen Hotels im Tal haben einen Anschluss und auch die Felsentherme wird mit Thermalwasser gespeist.
3. Die gemütlichen Orte
Ich habe sie schon erwähnt, die Menschen, die in Bad Gastein etwas verändern wollen und es mit ihren Ideen bereichern. Meistens handelt es sich hierbei um wunderbar gemütliche Rückzugsorte, wie mein geschmackvoll eingerichtetes Alpenloft zum Beispiel. Oder der kleine Yogaraum im familienfreundlichen Haus Hirt, von dem aus man ins ganze Tal schauen kann. Oder die Bar des Hotel Miramonte, in der jeden Abend gegen 10 das Licht flackert – die urbane Legende spricht hier natürlich von einem Geist. Oder das kleine hauseigene Kino des Regina, in dem man sich nach einem guten Essen im Restaurant einen schönen Filmklassiker anschauen kann. Oder eines der fünf verschiedenen, von Wiener Künstlern gestalteten Zimmern des Hansi Hansi, in denen man auch einfach mal den ganzen Tag im Bett bleiben kann.
Das schönste ist: als Alleinreisende fühlt man sich an keinem dieser Orte wirklich allein.
4. Wandern in Bad Gastein
Seitdem Wandern jetzt „Hiking“ heißt, ist es wieder cool geworden und auch ich muss zugeben, dass ich meine Liebe fürs in der Natur herumlaufen neu entdeckt habe. Noch vor ein paar Jahren hätte ich jeden Vorschlag, weiter als 2km zu laufen mit wedelnden Armen ausgeschlagen. Seit einem eher unfreiwillig weitem Wanderausflug in Schottland weiß ich, wie toll das für die Seele sein kann. Inzwischen besitze ich sogar Wanderstöcke und eine nicht wirklich schöne Wanderhose. Bad Gastein selbst hat viele tolle Wanderwege in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Zum Beispiel rauf auf die Poserhöhe mit anschließender Kaiserschmarren Belohnung. Oder die Kaiserpromenade entlang bis zum Grünen Baum oder direkt vom Ort aus hinauf auf die Rudolphshöhe. Ich entschied mich für einen Tag in Sportgastein, dass eine kurze Busfahrt (Achtung Mautgebühr!) von Bad Gastein entfernt liegt. Nadin, die in Bad Gastein ihre Wahlheimat gefunden hat, hat einen Winter auf der Hütte in Sportgastein verbracht und bezeichnet den Ort als #tinytibet. Der Weg führt durch das Tal, das Teil des Nationalparks Hohe Tauern ist, vorbei an Bächen und Hügelchen und mit wunderbarer Aussicht auf die Berge, die sich auch an einem regnerischen Tag wie meinem hin und wieder durch die Wolken schieben. Im Winter kann man hier übrigens auch Ski fahren.
5. Kunst in Bad Gastein
Was mich besonders überrascht hat, ist die viele zeitgenössische Kunst, auf die man bei einem Spaziergang durch Bad Gastein so trifft. Von den goldenen Bauzäunen, die die verlassenen Gebäude umschließen, zur Foto Ausstellung im Kaiser Wilhelm Pavillion, Street Art auf der Reitlpromenade und verschiedensten festen Installationen von Jeppe Hein und Gerald Rockenschaub – alles verbunden durch den Kunstpfad. Manchmal entdeckt man auch einfach nur einen kleinen Bilderrahmen, versteckt in der Nische einer Mauer. Die meisten Objekte stammen aus dem Artist in Residence Programm, bei dem Künstler einmal im Jahr die Ateliers im ehemaligen Kraftwerk neben dem Wasserfall beziehen und sich von eben diesem inspirieren lassen. Anschließend gibt es im Rahmen vom Kunst und Kulturfestival „sommer.frische.kunst“ von Juli bis September eine Ausstellung der produzierten Werke in den Ateliers und diverse Kunstevents.
Nach dem früheren „Monaco der Alpen“ wird Bad Gastein heute manchmal „Das Berlin der Berge“ genannt – ein für mich eher unglücklicher Vergleich. Ja, Bad Gastein ist jünger und cooler geworden, es tut sich was im Ort, überall findet man Kunst und Design und hin und wieder begegnet man dem Bezug zur deutschen Hauptstadt, doch Berlin will und soll Bad Gastein eigentlich meiner Meinung nach gar nicht sein. Für mich braucht Bad Gastein diese Vergleiche gar nicht mehr. Für mich ist Bad Gastein was ganz eigenes.
Mehr über den Ort findet ihr bei Anidenkt, die Bad Gastein im Winter besucht hat. Auf Nectar & Pulse gibt es einen tollen Guide mit Karte von Nadin. Martin war im Sommer in Bad Gastein, Mela von Individualicious hat sich das Regina mal genauer angesehen und Jeanny hat ein Rezept aus dem Haus Hirt mitgebracht.
Offenlegung
Zu meinem Wochenende in Bad Gastein wurde ich vom Haus Hirt / den Alpenlofts und Visit Bad Gastein eingeladen. Meine Meinung über Wasserfälle, verlassene Villen und die Wirkung von Radonwasser bleibt aber natürlich meine eigene.
So ein schöner Beitrag über Bad Gastein – nur ca. 80 km von mir entfernt, und ich war noch nie dort (shame on me!), und deine Bildcollagen machen mich ganz verliebt! LG, Meli
Das ist gar nicht weit von dort wo ich aufgewachsen bin. Als Kind war ich einmal dort, da war es noch ganz verschlafen. Jetzt möchte ich ganz dringend einmal dahin zurück.
Oh, das sieht toll aus. Ich war in den vergangenen Jahren häufig im Allgäu aber schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Österreich 🙂 Bei deinen Bildern bekomme ich aber gerade sehr viel Lust, auch mal wieder weiter südlich Halt zu machen.
Was für ein spannender Ort! Äusserlich fast unauffällig (und ich wusste gar nichts darüber) und hat doch so viel zu bieten. Liebe Reisegrüsse, Miuh
Woow sehr schöne Bilder. Hätte nicht gedacht, dass dieser Ort so schön ist. Mega einladend für einen Urlaub. Sonnige Grüße aus dem Schloss Südtirol
So einen schön gestalteten Blog habe ich ja noch nie gesehen! Und das sage ich, obwohl ich selber einen schönen Blog habe 😉
Wow was für ein toller Post und was für ein wunderschöner Ort! Ich finde es faszinierend, was für kleine wunderbare Orte man so in der Umgebung hat. Ich sollte öfter mal nach sowas ausschau halten 🙂
Werbelink entfernt