Ich war noch niemals in Venedig und um ehrlich zu sein habe ich in Anbetracht des anhaltenden Problems mit den Touristenmassen in der Stadt auch im Moment kein Bedürfnis dahin zu reisen. Ich kann also nicht aus erster Hand beurteilen, wie großartig die Stadt der Gondoliere, Palazzos und Kanäle wirklich ist. Ich kann euch aber eine Alternative zeigen, die auf jeden Fall untouristischer und mindestens genau so bunt ist. Oben drauf gibt es noch ein beklopptes Festival, Flamingos und jede Menge Natur.
Die Rede ist von Comacchio, einer zuckersüßen kleinen Stadt mitten im UNESCO Weltnaturerbe Nationalpark des Podelta gelegen. Ich war zwar schon unzählige Male in der Emilia-Romagna, meiner Lieblingsregion in Italien, aber von dem kleinen Fischerort hatte ich bis vor kurzem noch nie etwas gehört.
Comacchio – wenn Eiscreme eine Stadt wäre
Doch kaum war ich am frühen Morgen unseres Reisetages um die erste Ecke gebogen, war es um mich geschehen: Pastellfarbene Häuser, winzige Kanäle, kaum Autos und eine eher verschlafene Atmosphäre. Es sah so aus als wäre ich in eine Traumwelt eingetaucht, in der alles aus verschiedenen Gelato-Sorten besteht. Also wer da nicht gute Laune bekommt… dann weiß ich auch nicht.
Beim schlendern durch den kleinen Ort kann ich überhaupt nicht aufhören Fotos zu machen. Zusätzlich zu den pittoresken Fassaden, den kleinen Brücken, hübschen Kapellen findet man auch überall die Dinge, die ich an italienischen Dörfern so liebe: Bunte Wäscheleinen, kleine Madonnenfiguren und Plastikblumen, im Wind wehende Vorhänge vor den Türen, Bogengänge und Nonnas, die ihren Hund Gassi führen.
In etwa einer Stunde ist man durch den verschlafenen Ort durch. Ich könnte hier Tage verbringen, einfach nur gucken, Fotos machen, einen Café trinken, weiter gucken, auf einer der vielen Brücken sitzen und zeichnen. Gigantische Prunkbauten wie die Palazzos und Kathedralen in Venedig sucht man hier zwar vergebens, ein einzigartiges Bauwerk gibt es allerdings schon: Den Ponte Trepponti. Unter der Brücke aus dem 17. Jahrhundert mit fünf Treppen fließen 3 Kanäle zusammen, auf ihr hat man einen wunderbaren Blick auf die angrenzenden Gassen.
Comacchio – Hauptstadt des Aals
An diesem Morgen im September ist der Fischerort allerdings nicht ganz so verschlafen wie sonst: so langsam werden bunte Buden und Zelte aufgebaut, hier und da erklingt Musik, Restaurants errichten lange Tafeln am Kanalufer, Omis schnattern über das bevorstehende Fest. Comacchio ist berühmt für seine Liebe zum Aal, denn die Lagunen des Podeltas bieten die besten Bedingungen für den langen Fisch, was dem Ort einen Namen über die Grenzen der Emilia-Romagna hinaus gemacht hat. Überall sieht man sie, die quietschbunten Dosen, in denen eingelegter Aal verkauft wird und der Fisch ist fester Bestandteil der Küchen im Ort. Man kommt also eigentlich nicht darum, mal zu probieren. So musste ich auch bei unserem Mittagessen im Locanda del Delta da durch. Ich will ehrlich sein: Mein Fisch ist der Aal nicht und ich brauchte wirklich viele große Schlucke Weißwein im Anschluss. Aber zum Glück sind wir ja in der Emilia-Romagna – der Vorratskammer Italiens aus der viele der kulinarischen Köstlichkeiten des Landes stammen. Also keine Angst, in Commacchio muss niemand verhungern, der keinen Fisch isst. Ich schielte also recht neidisch auf die wirklich gute Pizza der vegetarischen Kolleginnen.
Und weil jede kleine Stadt ja irgendwie ihr eigenes verrücktes Fest haben muss findet an diesem Wochenende das alljährliche Aalfestival in Commachio statt. An vielen Ständen gibt es Aal vom Grill, eingelegten Aal, geräucherten Aal… ihr wisst schon. Einmal Alles mit Aal. Man findet aber auch viele tolle lokale Produkte, gutes Olivenöl, Balsamessig, Parmiggiano, Proscuitto und natürlich Piadina, eine Spezialität aus der Region.
Wer sich trotzdem ein bisschen über die Geschichte des Aals und die der Stadt informieren will, kann das in der Manifattura dei Marinati tun. Das Museum liegt in einem alten Kloster mit wunderschönen sonnengelben Arkaden.
Mit dem Rad und Boot durch den Podelta Nationalpark
Am Museum schnappen wir uns Fahrräder und laden sie ein paar hundert Meter weiter um auf ein kleines Boot mit dem wir die Lagune, an der Comacchio liegt langsam überqueren. Die kleine Bootstour führt vorbei an den für das Delta typischen Fischer-Pfahlhäusern, den Casoni di Pesca. Unser Guide Pietro erzählt uns, dass die Hütten, die natürlich mal für die Aalfischerei gedacht waren heute eher als Wochenendhäuser oder für Abende mit Freunden und Wein benutzt werden. Ich könnt mir schlechtere Feriendomizile vorstellen.
Die Landschaft ist hier geprägt von mit Schilf bewachsenen Inseln und Dämmen, wir beobachten einige Vogelschwärme. Das Naturschutzgebiet ist ein Paradies für unzählige Vogelarten, darunter sogar Flamingos – aber zu denen kommen wir später. Erstmal legen wir am anderen Ende der Lagune an, und unsere Radtour kann losgehen. Alles hier wirkt ein bisschen wie in einer verwunschenen Filmkulisse. Der Radweg führt über schmale Landstreifen, rechts und links Wasser, über alte rostige Brücken, vorbei an verwunschen, aussehenden Ruinen, Hütten mit verrückten Sammelsorien und einem kleinen Café, wo wir natürlich einen Stop für einen schnellen Espresso einlegen. When in Italy. (Ab mittag ist es hier übrigens sehr verpönt Cappuccino, Latte oder überhaupt irgendetwas anderes als reinen Café zu trinken.)
Foto: Adeline Gressin – Voyages etc…
Commachio und die Flamingos
Anstatt so wie wir, die Bucht mit dem Boot zu durchqueren, kann man die komplette Runde auch mit dem Rad oder zu Fuß machen. Das sind ca 20 Kilometer. Das Café liegt etwa auf halber Strecke. Während ich hier also mit meinem Espresso in der Hand stehe fliegt auch schon der erste Flamingo an mir vorbei. Früher haben die Vögel hier nur auf der Durchreise weiter gen Süden halt gemacht, heute gibt es im Nationalpark inzwischen eine dauerhafte Kolonie.
Da wir mit einem offiziellen Guide unterwegs sind, radeln wir rüber zu einem Aussichtsturm im abgetrennten Bereich des Naturschutzgebietes. Hier nisten die Flamingos in aller Ruhe und dürfen nicht gestört werden, deshalb kommt man nur mit Schlüssel rein. Ich habe leider keine supercrazy Telelinse dabei, um die Tiere aus dieser Entfernung zu fotografieren. Macht aber nix, denn gerade in der Natur ist es manchmal auch gar nicht so schlecht, einfach nur zu beobachten und den Vögeln beim Durchs-Wasser-Waten zuzusehen.
Leider müssen wir langsam wieder zurück in Richtung Comacchio, denn auf uns warten noch Tiere an anderer Stelle im Naturschutzgebiet.
Mit weißen Pferden in den Sonnenuntergang
Am späten Nachmittag fahren wir nach Lido delle Nazioni, hier liegt unser Hotel Spiaggia Romea*, eine Resortanlage die sich um die Erhaltung des riesigen Gebiets kümmert. Eigentlich sollten hier etliche Hotels und Bungalows entstehen, aber eine Familie kaufte alles auf und das Resort nimmt nur einen sehr kleinen Teil des riesigen Areals ein. Wir begeben uns auf eine kleine Mini Safari durch das Gebiet auf dem Pferde, Bullen, Esel und Wild frei herumlaufen dürfen. Und ihr wisst ja wie sehr ich Esel liebe….
Ein anschließender Ausritt vom Reiterhof des Resorts aus führt uns in den kleinen Wald, der das Areal von der Adriaküste trennt. Hier wimmelt es um diese Zeit nur so von Rehen die durch die Büsche hopsen. Leider hat uns unser Ausritt aus Zeitgründen nicht mehr an den Strand geführt, aber grundsätzlich ist das auch möglich.
Absacker an der Ananasbar
Nach Sonnenuntergang zieht es unsere kleine Reisegruppe noch einmal nach Comacchio. Mit dem Taxi machen wir uns auf zum Aalfestival. Hier lassen wir unseren Tag bei einem Aperol Spritz aus einer Ananasbar und der wirklich leckertsen Piadina, die ich je gegessen habe von einem der Marktstände ausklingen. Ich wünschte nur, ich hätte ausreichend Mückenschutz aufgetragen – den braucht man am Podelta nämlich ganz dringend.
Meine Tipps für eine Reise ans Podelta
Hinkommen & Rumkommen
Das Podelta liegt zur Hälfte in der Emilia-Romagna und zur anderen in Veneto. Ich bin mit aus Berlin mit dem Nachtzug der ÖBB angereist. Der fährt von München aus entweder nach Venedig oder Bologna, von da aus geht es weiter mit der Regionalbahn. Natürlich kann man das gleiche auch über die jeweiligen Flughäfen machen. Einen Haken gibt es allerdings: Comacchio hat keinen Bahnhof und ist dementsprechend nicht so einfach zu erreichen. Da das Areal auch sonst touristisch nicht megamäßig erschlossen ist, empfehle ich einen Mietwagen.
Unterkommen
Ich würde unbedingt empfehlen in Comacchio* selbst zu übernachten. Hier gibt es einige wenige nette B&Bs und Hotels*. Im Locanda del Delta* haben wir nur zu Mittag gegessen, man kann dort aber auch übernachten.
Ich war während dieser Reise im Spiaggia Romea Village*, etwa 30min Autofahrt von Commachio untergebracht. Die Anlage ist wie oben beschrieben sehr schön, es gibt viele Aktivitäten und für Familien ist das sicher eine tolle Option. Wer aber wie ich sonst eher alleine unterwegs ist und Abends lieber auf einem Marktplatz sitzt und Antipasti knabbert, statt am Hotelbuffet zu stehen, für den ist das Resort eher nichts.
Weitere Unternehmungen und Ausflugsziele
Wer sich für andere Meeresfrüchte als Aale interessiert, dem kann ich einen Ausflug mit einem Muschelfischer in Gorino empfehlen. Die Tour führt einen mit dem Boot an die Grenze zu Veneto. Diese Tour sowie die Radtour mit Boot kann man über Podelta Tourismus buchen.
Ravenna mit seinen berühmten Mosaiken liegt etwa 30min von Comacchio entfernt. Ich war dort während der Social Travel Summit für ein paar Tage und kann einen Besuch total empfehlen.
Noch weiter die Adriaküste runter liegt Rimini, eine Stadt die eher für ihren Strand bekannt ist, in der es aber viel Grandiose Street Art gibt.
Weiterlesen
Mehr Tipps zu meiner Lieblingsregion in Italien findet ihr hier, mit 6 Dingen, die ich an der Emilia-Romagna mag. Meine Freundinnen Adeline und Laurène schreiben auf ihren Blogs auch über unsere Reise ans Podelta – allerdings auf Französisch. Dan hat auch noch weitere Tipps für die Region. Marco von Life is a Trip ist im Ferrari herumgerast und Reisefreundin Angelika hat Bologna mit der Vespa unsicher gemacht.
Wer sich gerne in Form eines Romans nach Italien träumt, für den hab ich hier eine Buchempfehlung.
Offenlegung:
Meine Reise ans Podelta war Teil meiner Teilnahme am Social Travel Summit 2019 in Ravenna und geschah auf Einladung von Emilia-Romagna Tourismus. Ich wurde für diesen Artikel nicht bezahlt und meine Meinung über Mückenstiche, Aal-Gerichte und Esel bleibt von dieser Einladung unbeeinflusst.
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