Sabrina und ich warten vor einer kleinen Kirche in Riparotta, einem Stadtteil von Rimini im Auto. Draußen sind es über 30 Grad und ich habe mir bereits die Schulter verbrannt. Wir warten auf Eron, den bekanntesten Street Art Künstler in Italien und ich bin ganz schön aufgeregt. Zuvor hatte Sabrina mir bei einer Piadina im Hafen von Cattolica erzählt, dass es gar nicht so einfach war, ein Treffen mit ihm zu vereinbaren. Normalerweise mache er das nicht, er habe gerade viel zu tun, durch eine Ausstellung auf der Biennale in Venedig, aber für uns würde er eine Ausnahme machen. „Ich hab doch gar nicht so viel Ahnung von Street Art“, sagte ich und war froh, dass ich zumindest vorher meine Hausaufgaben gemacht hatte.
Die Situation kam mir ein bisschen vor, wie bei einem Treffen zweier Geheimdienste. Wir wussten nicht wie Eron aussieht, da er niemals sein Gesicht ablichten lässt. Zuvor hatten wir uns schon ein Mural in Riccione angesehen, bei dem Schwäne und Möwen beinahe plastisch aus der Wand einer Unterführung flogen.
Ein Wagen fährt vor und wir schauen uns an. Ob er das wohl ist? Wir begrüßen, den eher zurückhaltenden Kerl, der sich mit einem selbstgespühten Vogel-T-Shirt zu erkennen gibt und betreten schließlich San Martino. Die kleine Kirche, ist die erste überhaupt, in der ein Street Art Künstler eingeladen wurde, ein Fresko zu malen. Ein riesiger Wolkenhimmel schwebt an der Decke, nur aufgebrochen von einem kleinen Engel, der mit einer Spraydose auf dem Sims steht und goldene Tauben an die Decke sprüht. Vögel scheinen sich immer wieder durch seine Arbeit zu ziehen. Ich frage ihn, was es damit auf sich hat. „Nichts besonderes…“ sagt er, doch ich spüre, dass mehr dahinter steckt. „Vielleicht so was wie Freiheit?“ Er nickt und fügt hinzu: „Wohl eher das Ausbrechen und Entfliehen…“
Ich werfe einen weiteren Blick auf die gigantische Deckenmalerei. Vier Wochen hatte er über Kopf gearbeitet, allein für den Wolkenhimmel.
Wir begeben uns in die Innenstadt von Rimini um uns ein paar weitere Werke von Eron und befreundeten Künstlern anzusehen. Direkt an der Ponte d’Augusto Brücke befinden sich gleich zwei Murals, darunter auch eines, das mir bei meiner vorherigen Recherche auf Anhieb gefallen hatte. Das Portrait einer alten Frau, die in diesem Viertel gelebt hat, fällt auf der pfirsichfarbenen Wand erst auf den zweiten Blick auf und ist ganz bezeichnend für den aktuellen Stil des Künstlers, der sich über die Jahre immer weiter entwickelt hat: Zurückhaltend und unheimlich aussagekräftig. Und genau so erlebe ich auch die Person hinter Eron. Ganz bescheiden erzählt er uns, wie er eine Betonmauer gegenüber der Römerbrücke bemalt hatte, aus Protest gegenüber der Tatsache, dass auf dem fast 2000 Jahre alten Bauwerk noch immer Autos den Marecchia überqueren dürfen und keiner so genau weiß, welchen Schaden das anrichtet. Die ehemals blanke Wand ist auch hier so gut bemalt, dass man erst auf den zweiten Blick erkennt, dass es sich hierbei gar nicht um echtes altes Gestein handelt.
Vorbei an einem recht neuen Mural des befreundeten Künstlers Ericailcane laufen wir weiter in Richtung Stadtmuseum von Rimini. „Hallo, ich bin der Typ der diesen Raum bemalt hat, können wir kurz durch?“ erklärt Eron am Eingang, ohne sich überhaupt wirklich vorzustellen und irgendwie einen auf dicke Hose zu machen. Die Aufmerksamkeit hält er stets so gering wie möglich.
Wir schlängeln uns durch das Museum hinein in einen Trakt, der gerade renoviert wird. Durch Malerfolien und über Werkzeuge geht es in einen Raum, den Eron im Zuge der Designbiennale 2014 gestaltet hat. Das Gebäude ist ein ehemaliges Krankenhaus und in seinem Werk „Soul of the Wall“ zeigt er genau das. Das Portrait einer Krankenschwester von damals rinnt geisterhaft aus einem Belüftungsgitter, ein altes Krankenbett erinnert an die frühere Einrichtung. „Nach der Ausstellung hat jemand versucht, das Loch in der Wand über dem Kreuz, das nur aufgemalt ist, zu kitten, weil es so realistisch ist“ erklärt mir Sabrina. Sie bittet Eron um ein Foto, natürlich nur in Rückenansicht. „Bitte lächeln!“ rufe ich durch das leere Gebäude.
Am Ausgang des Museums trennen sich unsere Wege und Sabrina und ich laufen noch ein bisschen durch Borgo San Giuliano, dem ältesten Stadtteil von Rimini, der übersäht ist mit Motiven aus Filmen von Fellini, die als Teil des Borgofestivals seit 1980 auf die Wände gemalt wurden. Doch ich bin mit den Gedanken immer noch bei dem bescheidenen Künstler, dessen freundliche, zurückhaltende Persönlichkeit und ausdrucksstarke Street Art mich noch immer fasziniert…
Mehr Bilder vom Borgo San Giuliano und Riminis Altstadt gibt es übrigens drüben bei Mela von Individualicious.
Mein Aufenthalt in Rimini war Teil der #Blogville Kampagne von Emilia-Romagna Tourismus und iAmbassador. Meine Meinung bleibt hiervon natürlich unangetastet.
Die Kusntwerke sind Atemberaubend. Vor allem die Mauer mit den Storchen gefällt mir sehr und kommt der Realistik so nah! Danke für den Beitrag
Gruß
Diana
Was für Florenz Abraham Clet ist Eron für Rimini. Ich freu mich über jede Begegnung mit guten Street Art Künstlern.