„Die Winken nicht zurück. Wir sind auf einer sechs Dollar Fähre…“ ruft der Mann an der Reling neben mir dem großen Kreuzfahrtschiff entgegen. Es hatte schon den ganzen Morgen geregnet und da mich Sydney’s Innenstadt mit all seinen Wolkenkratzern an diesem ersten Tag völlig überforderte, hatte ich beschlossen auf ein Boot zu hüpfen, um auf eine der im Sydney Harbour liegenden Inseln zu fahren. Irgendwo hatte ich gelesen, dass dort ein riesiges ROA Mural zu finden sei… Mission angenommen. So fahre ich also mit wehenden Haaren vorbei am berühmten Opera House, unter der Harbour Bridge hindurch in Richtung Cockatoo Island, ohne eine Ahnung, was mich dort wirklich erwarten würde.
Die Fähre bahnt sich so ihren Weg über den Parramatta River. Wir passieren Darling Harbour, riesige Containerschiffe, kleine Inseln mit Häusern, die mich an die in Trøndheim erinnern bis sie vor uns unter einer großen grauen Wolke auftaucht, die größte Insel in der Bucht von Sydney, die einst ein Gefängnis, eine Besserungsanstalt, eine Mädchenschule und zwei Schiffswerften beherbergte. Ein komisches Gefühl beherrscht meine Magengegend, als ich als einziger Passagier am Dock von Bord gehe und auf die verlassenen Gebäude zugehe. Das Foyer ist nicht besetzt, die einzige Bar geschlossen, ich checke den Fährenfahrplan und stelle fest, dass die nächste und einzige Möglichkeit ins belebte Sydney zu kommen erst in gut zwei Stunden ablegt. Vielleicht hätte ich mir was dabei denken sollen, als die Dame am Kartenverkaufsschalter fragte ob ich heute oder morgen zurück fahren will. Immerhin hatte ich mir eine Flasche Gingerbeer mitgenommen. Ich beschließe erst einmal eine zu rauchen und mir den Lageplan der Insel etwas genauer anzusehen. Es gibt einen Campingplatz – gut, ich müsste also nicht in irgendeiner ehemaligen Gefängniszelle übernachten, sollte ich aus irgendeinem blöden Grund die Fähre verpassen. Man weiß ja nie.
Ich laufe über einen großen freien Platz Richtung Norden und finde mich plötzlich vor dem weißen Haus wieder, an dem noch vor wenigen Monaten ein riesiges Kunstwerk geprangt haben musste. Der ROA war wieder entfernt worden, man konnte die Tiere, die wie die Bremer Stadtmusikanten die gesamte Wand zierten, noch im Mauerwerk erahnen. Ich bahne meinen Weg durch eine schmale Gasse, vorbei an Turbinenhallen und Offiziersgebäuden, die vor vielen Jahren verlassen wurden. Es fühlt sich an wie Urban Exploring mit Erlaubnis, denn seit 2010 ist Cockatoo Island UNESCO Weltkulturerbe und somit denkmalgeschützt. Der Name stammt, wie Vieles in Australien, von den Aborigines, ursprünglich „Biloela“ (schwarzer Kakadu) und wurde 1913 in Cockatoo Island geändert. Zur Zeit der britischen Kolonialisierung mussten Sträflinge auf der Insel harte Arbeit verrichten, bauten dort Schiffe in Australiens ersten Trockendocks und waren am Bau des riesigen Circular Quay, dem Hauptknotenpunkt im Hafen von Sydney beteiligt. Die Anlage ist das einzige erhaltene Zeugnis über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge aus dieser Zeit.
Mittlerweile bin ich schon dem ein oder anderen Besucher begegnet, eine Tatsache, die mich inzwischen fast ein bisschen stört. Wenn auch ein wenig gruselig, ist es ein wunderbares Gefühl die Anlage mutterseelenallein zu entdecken. Ich traue mich in einen der beiden Tunnel, die die Insel durchkreuzen, laufe über Stahltreppen und mache zaghafte Schritte in die Gebäude. Von irgendwoher ertönt Musik und als ich näher komme erkenne ich Ben Howards sanfte Stimme aus einer Lagerhalle in der ein paar Künstler zwischen verrosteten Maschinen und herumliegenden Brettern und bunten Kabeln an ihren Werken arbeiten. Als ich am Zeltplatz auf der Südseite der Insel ankomme, stelle ich fest dass es Zeit ist zur Anlegestelle zurück zu gehen und für einen Moment wünsche ich mir, ich hätte von der Möglichkeit auf der Insel zu übernachten vorher gewusst. Inzwischen ist auch die Bar geöffnet, doch ich muss mich mit meinem Gingerbeer begnügen und zusehen, dass ich die letzte Fähre nicht verpasse.
Infos zu Cockatoo Island
Die Fähre nach Cockatoo Island startet am Circular Quay und kostet $6,40 (etwa 4€) pro Strecke und braucht ca 20 Minuten mit Zwischenstop in Darling Harbour. Auf dem Rückweg gibt es ein paar mehr Stationen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten auf der Insel zu übernachten, es ist allerdings nicht ganz so günstig (wie alles in Australien). Ein Standard Campingpaket inklusive Zelt geht bei $89/Nacht los, ein Glampingzelt startet je nach Ausstattung bei $125/Nacht und ein Cottage gibts für $400/Nacht.
Drei Bars und Cafés sind über die Insel verteilt, darunter ein Pop-Up Airstream Cafe mit Bootsverleih und es gibt viele BBQ Areas und Picknickplätze. Außerdem sollte man immer nach den aktuellen Events Ausschau halten wie Kunst-, Musik- und Filmfestivals.
Generell empfehle ich am frühen Vormittag hinzufahren, um sich genügend Zeit zu lassen, die Insel zu entdecken und nicht wie ich von der letzten Fähre zurück in die Stadt gezwungen zu werden. Man sollte in jedem Fall inklusive An- und Abreise mindestens drei Stunden einplanen. Generell ist Cockatoo Island ein spannendes alternatives Ausflugsziel, abseits von Bondi Beach und Opera House.
Die tollsten Fotos, Nina. Jetzt ärgere ich mich, dass ich nicht dort war.
Nicht ärgern! Man muss sich immer etwas fürs nächste Mal aufsparen!
flashback! Wieder einmal famose Fotos, liebe Nina!
Wann fährt denn die letzte Fähre und wo bist Du in Sydney denn eigentlich untergekommen?
Ich glaube die fuhr so gegen 5, der Fahrplan ändert sich aber immer mal wieder und hängt auf der ganzen Insel verteilt herum und erinnert einen stetig an die baldige Rückreise.
Ich habe in der YHA am Railway Square genächtigt und mir ein Zimmer in einem der Waggons gegönnt 😉 Da: http://on.fb.me/1cY4ZsR
Also kann man sie quasi gar nicht verpassen!
und UI. das sieht toll aus!
Echt super Fotos! Ich hab vorher noch nie was von Cockatoo Island gehört, hört sich aber interessant an:)
Grüße aus Australien,
Nadja
Und Sonntags sollte man bei schönem Wetter noch vor 12 Uhr hin um sich und seinen Freundeneinen Liegestuhl in der Bar zu sichern. Dann ein paar Gläser Wein und Cocktails und gechillt den Bands und DJs zuhören. Die Pizza dort ist auch nicht zu verachten 😉
Ganz großartig!
Wunderschöne Bilder <3. ich war bisher auch leider nicht dort. Das wird sich mit Sicherheit ändern ;). Gruß aus Sankt Christina